Von Angesicht zu Angesicht

von Dr. Walter Lokau

ERBLICKEN UND ERBLICKT WERDEN

Die Galerie Metzger zeigt aktuelle Positionen zum Thema „Von Angesicht zu Angesicht“

 

Der Ausdruck stammt vom Bibelübersetzer Luther, und was der große Wortepräger im 1. Korintherbrief des Paulus auf das Erkennen Gottes münzte, klingt uns heute wie eine Poetik des hermeneutischen Zirkels angesichts des schlechthin Anderen: Wir sehen jetzt durch einen Spiegel in einem dunkeln Wort; dann aber von Angesicht zu Angesicht. Jetzt erkenne ich's stückweise; dann aber werde ich erkennen, gleichwie ich erkannt bin. Das Erblicken des Anderen ist Erblickt-Werden zugleich, der Genitiv so objektiv wie subjektiv. 12 Künstler und Künstlerinnen bieten Gelegenheit, sich dem unentrinnbaren Spiegelverhältnis des Einander-Erscheinens im Anblick des Gegenübers auszusetzen. Dabei sind die Genres vielfältig, komplex die ästhetischen Strategien. Plastiken und Skulpturen thematisieren die duale Situation (so Konrad Franz in Holz, der Steinbildhauer Georg Hüter und der Materialkombinierer Valentin Manz) oder konfrontieren mit einem blickenden, blicklosen, gar toten Gegenüber (Helmut Massenkeil, Hans Fischer, Nele van Wieringen). Und wo das Angesicht dreifach wird, beginnt auch das Betrachter-Subjekt zu schwimmen (Michael Kalmbach). Malerei auf Keramik, Leinwand oder Papier bringt den direkten Blick mitunter befremdlich ins Bild (Hermann Grüneberg, Johannes Heisig, Michael Kalmbach), während abstrahierte Chiffren das lesende Sehen mit Alexie blenden (Bodo Korsig). Sinnverwirrend ebenfalls die Fotoarbeiten Sylvia Scholtkas, mit denen sie das Selbstverhältnis im eigenen Portrait zerstört. Ihre symmetrisch gespiegelten Gesichtshälften führen wie Franziska Wildts Zerrspiegel-Apparaturen eine Grunderkenntnis der Moderne vor Augen: Wo immer es in einem Medium erscheint, ist Ich ein anderer – anders erscheint es nicht...