Ins Freie und zu Tisch...

Neue Arbeiten von Christoph Möller und Svein Narum in der Galerie Metzger in Johannesberg

 

Will man eine schöne Bestätigung dafür finden, dass Kultur nicht allein in den Metropolen stattfindet, sondern dass Kunst- und vorzüglich Keramik-Perlen sich auch und gerade in der Provinz finden, dann mache man sich auf in das unterfränkische Örtchen Johannesberg unweit von Aschaffenburg. Ganz unsubventioniert und privat-initiativ aus schierer Begeisterung für die Sache bietet hier Angelika Metzger in ihrer Galerie seit 1996 spannungsvolle, mit seltenem Gespür für das Zusammengehende aufeinander abgestimmte Konstellationen zeitgenössischer Keramik, kombiniert mitunter mit Malerei oder Photographie, oft in Gruppenausstellungen oder thematisch gebunden, manchmal freilich auch nur in kräftiger Duo-Schau. Eine zum Ausstellungs-, ja Inszenierungs-Raum ausgebaute Fachwerkscheune bildet mit Nischen, Winkeln und auf verschiedenen Ebenen einen intimen, doch immer gastfreundlich offenen Ort, der den drei alljährlichen Ausstellungen einen außergewöhnlichen Rahmen gibt und sich stets aufs Neue von den Exponaten überraschend verwandelt zeigt. Mit ihrer diesjährigen Frühlings-Ausstellung präsentiert Angelika Metzger vom 7. bis zum 28. April nun wieder ein wahrhaft starkes Duo, Kontraste auf gemeinsamem Boden – den Plastiker Christoph Möller und den norwegischen Keramiker Svein Narum.

 

Christoph Möller, 1952 geboren und seit 1993 mit eigener Werkstatt in Diessen am Ammersee, hat als Keramiker einen durchaus ungewöhnlichen Weg hinter sich. Nach seiner Ausbildung Mitte der 70er Jahre bei dem großen, Japan-inspirierten Töpfer Horst Kerstan in Kandern arbeitet Möller in der Werkstatt von Jörg von Manz. Die bodenständige Freiheit, mit der dieser Erneuerer niederbayerischer Hafnerware und heitere Plastiker zu Werke geht, wird für den Gesellen Möller prägend. Die Geschirrproduktion, die er mit der Weiterführung der Werkstatt in Gottsdorf nach Manz' Weggang 1979 zunächst übernimmt, rückt im Laufe der Jahre in den Hintergrund zugunsten eines zunehmend ungebundener werdenden Umgangs mit der keramischen Materie. Kaum anders als mit dem „Zug ins Freie“ lässt diese über Jahrzehnte und bis heute fortlaufende Entwicklung sich charakterisieren. Standen am Anfang eigenartig kultische, durch die grobe Übertragung in Keramik entrückte Werkzeuge, Gerätschaften und Mobiliar, durchläuft Christoph Möller im Weiteren eine von den Dingen der Kultur gleichsam zurück ins Organisch-Kreatürliche und schließlich in die Anorganik frühester Formung von Materie sich bewegende Regression. Zweckfreie, überdimensionale Gefäßformen aus dem Schwarzbrand mutierten zu larven- und puppenartigen Hüllen, wurden zu doppelwandig gebauten, mattweiß engobierten Riesenknollen, zu vegetabil schwellenden, sich beulenden Kapseln bis am Ende die langgestreckten, farblosen Insel-Landschaften nackter, matter Materie stehen wie plastische Skizzen eines Demiurgen, der im Groben probiert, wie Schöpfung wohl aussehen könnte. Dass diese keramische art brut herkömmlichen Begriffen von Schönheit oder Handwerklichkeit entwischt und wie provisorisch in einer merkwürdigen Befremdlichkeit verharrt, nimmt Christoph Möller in Kauf. Urzustände sind gar nie lieblich, zeugen dafür aber umso prägnanter vom reinen Potential schöpferischen Tuns: von einer unbestimmten, wenig rationalen Lust eines lebendigen Körpers, Materie zu formen – eine Lust, die sich vital mitteilt.

 

Kultivierter, buchstäblich domestizierter, ja häuslich wärmer, geht es in der Arbeit des Norwegers Svein Narum zu. Der 1951 geborene, am College of Art and Craft im norwegischen Bergen ausgebildete Keramiker, heute mit Werkstatt in dem Dörfchen Lunde, 170 km südwestlich von Oslo, hat sich ganz und gar dem verschrieben, was im angelsächsischen Sprachraum als domestic ware bezeichnet wird: handgearbeitete, starkwandige Gebrauchskeramik im allerbesten Sinne, wie sie in England nicht zuletzt durch die Schule Bernard Leachs sich großer Beliebtheit erfreut und dort bis heute einen kraftvollen Zweig keramischer Tradition ausmacht. Handfeste und brauchbare, so schöne wie individuelle Keramik aus Irdenware, die Svein Narum im Holzofen brennt: Becher, Tassen, Teller, Pokale, Schüsseln aller Art, Platten von mitunter beträchtlichen Ausmaßen, oval oder quadratisch, mit oder ohne Henkel, ausladende Präsentier-Schalen auf hohen, modellierten Sockeln, Krüge, schlank oder gebaucht, vom handlichen Gießer bis zum übergroßen Schenkkrug. Bestechend die sichere Hand des Skandinaviers: Die Formen, ob gedreht, montiert oder in die Form gedrückt, „sitzen“ wie althergebracht und wirken dennoch frisch, wie gerade erfunden, perfekt und doch das Geformte des rotbraun brennenden, schamottierten Tones in ihren kleinen Unregelmäßigkeiten immer spürbar, sichtbar lassend. Vollends hinreißend freilich ist die Art ihrer Bemalung, des Dekors: Auf zügig geschütteter, milchgelber Engobe, durch die hie und da der dunkle, körnige Scherben schimmert, breiten sich rasche, großzügige Pinselzüge lichten Grüns, füllen schnell geritztes Florales, bilden Schlieren, Kringel über Geprägtem oder auf den mit Gabelzinken gezogenen Wellen. Die dünne Transparentglasur gibt der unnachahmlichen Zier schließlich einen glatten Glanz. Auch das macht Lust – Lust davon zu tafeln.

 

Ausstellung „Christoph Möller – Svein Narum“ vom 7. bis 28. April 2013 in der Galerie Angelika Metzger, Hauptstraße 18, 63867 Johannesberg, Tel. 06021-460224, Email galerie-metzger@gmx.de, www.galerie-metzger.de